Breithorn-Traverse
Von der Roccia Nera bis zum Mittelgipfel
ca. 3 Minuten LesezeitIm Pandemiejahr 2020 verspüre ich irgendwie wenig Lust auf Hochtouren mit Hüttenübernachtungen, lange Anreisen im Zug mit Maskenpflicht und sonstigen Einschränkungen. Doch als Dani die Breithorn-Traverse als gemeinsame Hochtour vorschlägt, ist mein Ehrgeiz schnell geweckt: Eine Überschreitung des Breithornmassivs mit seinen fünf Gipfeln, die allesamt als eigenständige 4000er zählen, gespickt mit anregenden Kletterpassagen und steilen Abseilstellen - so stelle ich mir eine komplette Hochtour vor.
Voller Enthusiasmus reisen wir deshalb mit der Bahn ins Wallis nach Zermatt. Nach einem kurzen Dorfbummel fahren wir mit den Gondeln bis zum Trockenen Steg und von da mit den neuen Riesengondeln aufs Kleine Matterhorn.
Hier verpflegen wir uns nochmals im Restaurant und geniessen die Aussicht von der Besucherplattform. Wir haben es heute nicht eilig - es steht uns lediglich der Zustieg zum Rifugio Guide d'Ayas bevor.
In der Nachmittagssonne laufen wir über das weitläufige Breithornplateau, unter dem Breithorn hindurch bis zum Schwarztor. Von hier läuft man zuerst unter dem Pollux durch und hält auf den Castor zu, um dann in einem grosszügigen Bogen auf den unteren Gletscher zu gelangen, der zum Rifugion Guide d'Ayas hinunterführt.
Bei der Hütte angekommen, melden wir uns an und verbringen den Rest des Nachmittags an der Sonne. Das Highlight auf dieser Hütte: Eine mit Gas betriebene Kolbenmaschine, die den besten Espresso hervorzaubert, den ich in den Bergen je geniessen durfte - wir sind in Italien!
Am Abend inspizieren wir die geplante Aufstiegsroute für den nächsten Morgen: Von der Hütte kann man (je nach Verhältnissen) direkt nach Norden halten und durch den Eisbruch / Gletscher auf den oberen Gletscher gelangen - so spart man sich den Bogen. Ich würde diese Route aber nur im Aufstieg und nach vorherigem Routenstudium empfehlen - sonst läuft man schnell die Gefahr, in einer Sackgasse zu landen.
Am nächsten Morgen steigen wir im Schein der Stirnlampen über den Gletscher, durch die Rampe hoch bis unter die Roccia Nera. Hier seilen wir uns los, sobald das Gelände steiler wird und wir die Gefahr des Mitreissens höher als die Spaltensturzgefahr einschätzen.
Es liegt nur noch eine dünne Firnschicht auf dem Eis in der Flanke der Roccia Nera; entsprechend ist Vorsicht geboten im Aufstieg.
Nachdem wir uns bald zum ersten Gipfel gratulieren dürfen, geht es gleich weiter: Nun folgen wir den Spuren über den Grat zum ersten Breithornzwilling (Ost), der von dieser Seite unschwer bestiegen werden kann.
Die Suche nach der richtigen Abseilstelle vom Gipfel beansprucht dann etwas Zeit - hier ist man gut beraten, den Routenführer genau zu lesen.
Nach dem Abseilen geht es wiederum auf dem Grat weiter, und wiederum unschwer auf den zweiten Breithornzwilling. Auch hier wiederholt sich das Spiel: Abseilstelle suchen und einrichten, abseilen, und weiter auf dem Grat.
Nachdem die Gipfel am Morgen noch in den Wolken lagen, hat sich das Wetter weiter aufgeklärt. Trotzdem sind wir uns nicht sicher: Reicht die Zeit für den Aufstieg zum Mittelgipfel? An der Sella stauen sich bereits die Seilschaften: Offenbar ist die "halbe Überschreitung" (Mittel- und Westgipfel) deutlich beliebter als die gesamte Traverse. Wir befürchten Stau und lange Verzögerungen - schauen uns das ganze aber zuerst aus der Nähe an.
Als wir bei der Sella ankommen, hat sich der Stau aufgelöst, und wir entscheiden uns, ebenfalls weiterzugehen. Nun folgt der klettertechnisch anspruchsvollere Teil; hier bewegt man sich im IIer und IIIer-Gelände, das oft ziemlich ausgesetzt ist. Wir haben viel Spass und kommen gut voran.
So ist es plötzlich Tatsache: Wir stehen auf dem Mittelgipfel - dem vierten von fünf Gipfel heute. Der Weiterweg zum Westgipfel ist dann fast nur noch Fleissarbeit - aber hier gilt es nur noch dem ausgetretenen Pfad im Schnee zu folgen.
Vom Hauptgipfel steigen wir auf der populären Normalroute ab auf das Breithornplateau und über jenes zurück zum Klein Matternhorn. Hier können wir mit etwas stolz auf die gelungene Bergtour zurückblicken und uns auf die bevorstehende Pizza in Zermatt freuen.
- Datum
20. Juli 2020
bis 21. Juli 2020
- Region
Wallis
- Teilnehmer
Alex
Daniel L.
- Höhenmeter
1200m Aufstieg
1200m Abstieg
- Distanz22km
- SchwierigkeitZS