Die andere Haute Route
Ein Teil der Walliser Haute Route mit Variationen
ca. 8 Minuten LesezeitDanny kam auf mich zu mit der Idee, die Walliser Haute Route mit den Skiern zu absolvieren. Lange musste ich es mir nicht überlegen – eine solche Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen. Schlussendlich wurde daraus eine tolle & fordernde Skiwoche, auch wenn uns das Wetter und unsere Routenplanung einen Strich durch die Rechnung machten.
Sonntag: Anreise nach Zermatt
Für heute ist die Anreise nach Zermatt und der Aufstieg zur Schönbielhütte geplant. Wir nehmen die erste Verbindung, fahren früh los und freuen uns auf die kommenden Tage im Schnee. Unterwegs ruft uns der Hüttenwart der Schönbielhütte an und teilt uns mit, dass heute wegen der Lawinengefahr vom Aufstieg abgeraten, und die Hütte geschlossen sein werde. Etwas enttäuscht sind wir schon, aber der aktuelle SLF-Bericht legt schon nahe, im Schnee Zurückhaltung an den Tag zu legen.
Kurzfristig können wir eine Unterkunft in Zermatt organisieren. Den Tag vertreiben wir uns mit shoppen in Zermatt, einem Besuch im Matterhorn-Museum, und ausgiebigem Essen. Der Energiespeicher will ja schliesslich voll sein.
Montag: Zermatt – Tête Blanche – Cabane de Bertol
Weil wir gestern Pause gemacht haben, steht heute eine längere Etappe auf dem Programm – wir müssen bis am Abend die Cabane de Bertol erreichen. Dazwischen liegen knapp 20 Kilometer Distanz und die 3710 Meter hohe Tête Blanche.
Am Morgen nehmen wir die erste Bahn zum Schwarzsee und fahren über die Piste in Richtung Stafelalp ab. Hier gilt es, möglichst wenig Höhe zu verlieren und energiesparend möglichst weit ins Tal des Zmuttgletschers hinein zu kommen. Alles, was im Skimodus gefahren und gestöckelt werden kann, muss nachher nicht hochgefellt werden. Beeindruckend ist es, unter der schroffen Nordwand des Matternhorns zu traversieren.
Irgendwann hat sich’s aber ausgestöckelt und wir wechseln in den Aufstiegsmodus.
Nun legen wir unsere Spur in den frischen Schnee und steigen langsam über den Zmuttgletscher in Richtung Tiefmattengletscher auf. Die Gletscher sind gut eingeschneit; trotzdem seilen wir uns an.
Der Aufstieg zieht sich, und das Spuren zehrt an den Kräften. Dazu kommt die Höhe – wir bewegen uns nun bereits auf über 3000m. Ich muss immer wieder Pause machen. Die Sonne brennt unerbärmlich nieder, und die Trinkvorräte sind bereits aufgebraucht. So wechsle ich in den Modus der Schneekonsumation und kann mich so etwas runterkühlen.
Schlussendlich ist es nach 16 Uhr, als wir die Tête Blanche erreichen. Wir geniessen das Panorama und hoffen, einigermassen kraftsparend über den Glacier du Mont Miné runterzukommen, um dann zur Cabane de Bertol aufzusteigen. Die Abfahrt übertrifft dann unsere Erwartungen: Wir treffen schönen Pulverschnee an, der unsere Herzen gleich höher schlagen und die Strapazen von voran vergessen lässt.
Nach der Abfahrt gilt es, wieder in den Aufstiegsmodus zu wechseln und im Schatten der Dents du Bertol zum Col du Bertol zu gelangen. Hier deponieren wir die Skier und steigen zu Fuss über die Leitern und Treppen zur Cabane de Bertol hoch, die wie ein Adlerhorst auf den Felsen thront.
Nach dem Nachtessen fallen wir bald einmal müde ins Bett.
Dienstag: Cabane de Bertol – Col de l’Evêque – Glacier d’Otemma – Cabane de Chanrion
Der nächste Tag beginnt gleich mit einer Abfahrt: Über den gefrorenen Schnee geht es steil hinunter zur mehr als 700Hm tiefer gelegenen Schwemmebene des Haut Glacier d’Arolla.
Hier fellen wir wieder an und laufen ins Tal hinein. Wir folgen dem orografisch linken Rand des Gletschers und gelangen so auf den oberen Gletscherteil, der uns zum Col de l’Evêque hochführt.
Hier überlegen wir noch, den Gipfel der L’Evêque zu besteigen. Wir wollen aber mit den Kräften haushalterisch umgehen und entscheiden uns deshalb für die Weiterreise.
Nun fahren wir ab zum Col du Petit Mont Collon und suchen uns dort eine fahrbahre Lücke. Diese finden wir, und nun steht uns eine rauschende Abfahrt über den unberührten Glacier du Petit Mont Collon bevor. Hier können wir uns die Jauchzer nicht verkneifen.
Die Abfahrt ist aber noch nicht zu Ende: Nun folgt ein langes Gleitstück den ganzen Otemma-Gletscher hinunter bis zum Gletscherende, darüber hinaus und bis durch die Schlucht beim Kraftwerk bei Les Pintâs.
Nun heisst es – ein letztes Mal heute – die Felle aufzuziehen und den Gegenanstieg zur Cabane de Chanrion zu bewältigen. Wieder brennt die Sonne auf uns herunter, doch die Gedanken ans bevorstehende kühle Bier machen auch diese Tatsache erträglich.
Mittwoch: Cabane de Chanrion – Col du Sonadon – Bivacco Biagio Musso
Für den nächsten Tag ist die Etappe zur Valsorey-Hütte geplant. Nach genauerem Studium der Route und im Gespräch mit anderen Bergsteigern realisieren wir, dass eine Abfahrt oder ein Abstieg vom Plateau du Couloir zur Valsorey-Hütte in der Nachmittagssonne nicht zu empfehlen ist. Sobald die Sonne in diese bis zu 45° steile Flanke und die darüberliegende SW-Flanke des Grand Combin du Valsorey scheint, ist dort mit Steinschlag etc. zu rechnen. Wir merken erstmals, dass unsere Routenplanung bis nach Chamonix wohl nicht aufgehen wird und wir wohl umdisponieren werden müssen.
Als alternative Übernachtungsmöglichkeit bietet sich das kleine Biwak auf dem Plateau du Couloir, das Bivacco Biagio Musso an, und nach einigen Abklärungen bezüglich Ausstattung entschliessen wir, unsere nächste Nacht dort zu verbringen.
So starten wir am Morgen in der Cabane de Chanrion mit dem Ziel Plateau du Couloir. Dazu fahren wir erstmal zurück zum Wegpunkt Les Pintâs, wo wir anfellen. Nun steigen wir auf der Route, die auch zum Fenêtre du Durand führt, hoch, zweigen nach Norden ab und peilen P.2736 an.
Hier öffnet sich die Sicht in die nächste Geländekammer, den Glacier du Mont Durand, und den dahinter liegenden Col du Sonadon. Teilweise verläuft die Route geradeaus und abwärts, bis wir den Gletscher erreichen und auf ebendessem in einer umgekehrten S-Bewegung den Col du Sonadon auf 3500m erreichen.
Nun folgt noch das für mich härteste Stück der Route: Nach einer Traverse durch den Kessel des Glacier de Sonadon gilt es die letzte, ca. 40° steile Rampe zum Plateau du Couloir zu überwinden. Im schweren, durch die Sonne aufgeweichten Schnee ist jeder Schritt (wenn mann denn die Skier trägt und nicht hochfellen mag) eine Anstrengung. Schlussendlich ist auch dieses Stück geschafft, und wir stehen vor unserem Nachtlager einer kleinen Blechbüchse auf dem schmalen Felsgrat auf 3658 Metern über Meer.
Den Nachmittag verbringen wir mit Schneeschmelzen und Sonnentanken, Tee trinken, etwas Yoga und dem ausgiebigen Geniessen der fantastischen Aussicht. Die Blicke reichen im Osten in die Gipfel nördlich des Aostatals, im Süden über den Mont Vélan und im Westen ins Mont Blanc-Gebirge.
Nach einem knappen Nachtessen geniessen wir die letzten Sonnenstrahlen und legen uns bald einmal schlafen.
Für den nächsten Tag diskutieren wir verschiedene Optionen: Über die Südflanke auf den Combin du Valsorey aufzusteigen und dann via Le Corridor abzufahren. Oder zum Col du Meitin zu queren und den Combin du Valsorey über das Couloir du Gardien auf den Combin du Valsorey zu gelangen. Oder zur Valsorey-Hütte abzufahren und den Mont Vélan zu besteigen. Klar ist auf jeden Fall, dass die nächste der ursprünglich geplanten Etappen, nämlich diejenige über Croix de Tsousse, Bourg-St.-Bernard und den Col de Chevaux nach La Fouly, zu lange für einen Tag sein wird. Schlussendlich entscheiden wir uns für die Traverse zum Col du Meitin und beschliessen, dort uns dann nach dem weiteren Verlauf unserer Route umzusehen.
Donnerstag: Plateau du Couloir – Col du Meitin – Petit Combin – Cabane F.-X. Bagnoud Panossière
Am nächsten Morgen warten wir das Morgengrauen ab und steigen dann, mit den Skiern am Rücken und den Steigeisen an den Füssen, vom Biwak in Richtung Cabane de Valsorey ab. Bei der erstbesten Möglichkeit, d.h. sobald die steile Flanke etwas an Steilheit verliert, beginnen wir mit der horizontalen Traverse in Richtung Col du Meitin. Der Schnee ist gutgriffig, entsprechend gut kommen wir voran.
Nun, unterhalb des Col du Meitin, steigen wir wieder bergan und erreichen den Pass wenig später.
Nach einer kurzen Pause fassen wir den Entschluss, erst mal aufs Plateau des Maisons Blanches abzufahren. Schon weniger Meter später plötzlich ein Schreck: Der Pulverschnee liegt hier nur dünn; darunter glitzert plötzlich Blankeis hervor. Wir überstehen diese kritische Stelle aber ohne Schaden und können nun in flacherem Gelände gemütlich abfahren.
Ein Blick hinauf zum Couloir du Gardien bestätigt unsere Vermutungen von Vortag: Dieses ist ziemlich blank; dieser Tage scheint niemand hier hochgegangen zu sein.
Als neues Ziel fassen wir den Übergang P.3563 am Grat des Combin de Corbassiere, und den dahinter liegenden Petit Combin ins Auge. Wiederum ist der Aufstieg schweisstreibend, doch er lohnt sich – rundherum werden wir mit tollen Rundblicken belohnt.
Vom P.3563 traversieren wir ins obere Becken des Glacier des Follats, um möglichst wenig an Höhe zu verlieren. Wir deponieren das Gepäck und überwinden die letzten Höhenmeter zum Petit Combin.
Hier können wir beobachten, wie ein kleines Flugzeug Lande- und Startmanöver auf dem Gletscher übt – beeindruckend!
Nach der Pflicht folgt nun die Kür – eine rasante Abfahrt über den Glacier des Follats, hinunter auf den Glacier de Corbassière. Obwohl schon zahlreiche Spuren von Heliskiern vorhanden sind, finden wir noch viel Pulverschnee.
Zum Tagesabschluss überqueren wir den breiten Gletscher und gelangen mit einem kurzen Gegenanstieg zur Cabane F.-X. Bagnoud Panossière, wo Pasta und Bier bereits auf uns warten.
Freitag: Cabane F.-X. Bagnoud Panossière – Tournelan Blanc – Cabane F.-X. Bagnoud Panossière – Fionnay
Den letzten sonnigen Tag der Woche nutzen wir mit einer letzten Tour auf den Tournelan Blanc – einem weiteren Dreitausender, der gut zu erreichen ist. Wir folgen dem rechten Rand des Glacier de Corbassière bis südlich des Punktes P.3140, um dann im Zickzack die steile Flanke zum Col du Tournelan Blanc hochzufellen. Hier hat der Wind ganze Arbeit geleistet und wir sind froh um die Harscheisen.
Am Pass erwartet uns ein eisiger Wind, und so ziehen wir rasch weiter. Mit einigen Auf und Abs gelangen wir unter die Gipfelflanke des Tournelan Blanc. Während ich die Schlusspassage zu Fuss meistere, fellt Danny bis zum Gipfel hoch, und kann später auch gleich von dort wieder abfahren. Weil das Wetter langsam umstellt und es ziemlich kalt ist, bleiben wir nur kurz auf dem Gipfel und machen uns baldmöglichst wieder an die Abfahrt.
Nun folgt eine lange Abfahrt, vom Col du Tournelan Blanc runter auf den Glacier du Panossière, zurück zur Hütte, und von dort hinunter bis nach Fionnay – insgesamt 2000Hm. Der Hüttenwart empfiehlt uns, anstelle der Winterroute die Sommerroute via Corbassière zu nehmen. Dies ist ein guter Entscheid – bis auf ein paar Tragemeter können wir alles abfahren. Vorausgesetzt ist jedoch die entsprechende Skitechnik: Auf den engen Zickzackkurven des Sommeraufstiegs müssen die Bremswege kurz sein, und da und dort muss etwas gesprungen werden.
Als wir in Fionnay ankommen, reicht es gerade noch für eine Einkehr im 🔗Le Mazot, wo es vorzügliche Burgers gibt.
Die Heimfahrt via Martigny nach Zürich zieht sich in die Länge, aber wir sind voller Freude und in Gedanken an die vergangene tolle Woche.
- Datum
27. März 2017
bis 31. März 2017
- Region
Wallis
- Teilnehmer
Alex
Daniel L.
- Höhenmeter
6400m Aufstieg
7542m Abstieg
- Distanz87km
- SchwierigkeitZSZS+